In Virnsberg ist der Titel des Schützenkönigs insbesondere in den letzten Jahren mit einem sehr guten Schuss und der notwendigen Portion Glück verbunden – damit der entscheidende Schuss auch wirklich in seiner Präzision einzigartige Alleinstellung genießt. Der Lohn ist nicht nur die Regentschaft, die Abholung im Folgejahr oder die Königskette, -nadel und der Krug. Die Königsscheibe bleibt als sichtbares Andenken im Schützenhaus bestehen und zeugt ewig vom besagten Erfolg. Besonders beachtet werden dabei die Schützenscheiben, die in mühevoller, stundenlanger Arbeit von Thomas Hertlein mit dem Pinsel zu Kunstwerken und zugleich Zeitzeugnissen verwandelt werden. Er bedient sich hierzu alter Quellen, Postkarten, Fotos oder Darstellungen, um jeder Scheibe ihre individuelle Note zu verleihen. Die Schützenscheiben zeigen aktuelle oder vergangene Ansichten bzw. Situationen des Dorfes. Die Sammlung im Schützenhaus zieht stets zahlreiche Blicke auf sich.
In diesem Jahr steht ein Motiv im Mittelpunkt, das einem alten Foto entspringt. Das Foto, das auf die 1930er Jahre geschätzt wird, zeigt gleich mehrere Besonderheiten. Vor einem sogenannten Heubock stellen sich – augenscheinlich spontan – zwei junge Frauen und ein Herr zu einem Schnappschuss auf. Der Heubock war bis in die 1990er Jahre im Virnsberger Umland weit verbreitet und wurde zum Trocknen des Grases verwendet. Die Häuserkulisse und die Position des Fotografen lassen schnell vermuten, dass der Ort im Hintergrund Kemmathen ist. Von Kemmathen sind kaum Fotoaufnahmen aus früheren Zeiten bekannt. Kaum sichtbar am Himmel ist das eigentliche Highlight schemenhaft zu erkennen: ein Zeppelin. Dieses Luftschiff diente in den 1930er Jahren, vor der Hindenburg-Katastrophe, als Symbol für technologischen Fortschritt und steht in nicht allzu großer Höhe über der Ortschaft. Während der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wurden häufig Repräsentationsflüge veranstaltet, insbesondere nach Nürnberg als zentralem Veranstaltungsort des NS-Regimes. Das Luftschiff mit der Bezeichnung LZ 127 „Graf Zeppelin“ war nachweislich Teil dieser Propagandaflüge und ist hier höchstwahrscheinlich auf der Aufnahme zu erkennen. Die Flüge starteten häufig in Friedrichshafen und führten dann weiter in Richtung Berlin, sodass Mittelfranken plausibel auf der Route lag. Die "Graf Zeppelin" wurde 1928 gebaut, war 236 Meter lang und verfügte über fünf Gondeln.
Thomas Hertlein verleiht dem Augenblick Farbe. Was alles andere als leicht war: Es lassen sich keinerlei Fotozeugnisse vom Ortsbild in Kemmathen finden. Die Scheunen und Stallungen möglichst realitätsnah darzustellen, stellte somit eine besondere Herausforderung dar. Die Personen auf dem Foto, die teilweise namentlich bekannt sind, halfen mit ihren Kleidungsstücken, die Aufnahme zeitlich einzuordnen. Nicht alle Personen fanden schließlich den Weg auf die Scheibe. Die Kombination aus dem eingefangenen Augenblick, der Verfügbarkeit einer Kamera und dem besonderen Motiv eines Zeppelins über Kemmathen ist unbestreitbar ein erstklassiges Motiv für die Königsscheibe 2026.
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